Das Ghetto und die Entstehung einer jüdischen Kultur im Europas der Frühen Neuzit: Betrachtungen zur Geschichtsschreibung
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European History
History
History of Religion
Jewish Studies
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Der Mythos des Ghettos als Ort der kulturellen Isolation der Juden wird uns trotz einer Fülle gegensätzlicher Erkenntnisse, die diesen Mythos widerlegen, immer begleiten. Immer noch müssen wir lesen, die Juden hätten Aufklärung und Emanzipation dadurch erreicht, dass sie eine hermetisch abgeschlossene und entfremdete Existenzform überwanden, die durch ihre sozialen und politischen Einschränkungen fest gefügt war, um Schließlich einen vollkommenen Status von Integration und sozialer Gleichstellung mit den nicht-jüdischen gesellschaftlichen Mehreithen zu erlangen. Diese Geschichte des triumphalen Wegs vom Ghetto zur Emanzipation, deren wichtigster Verfechter Heinrich Graetz1 war, hat nicht nur die moderne jüdische Geschichtsschreibung seit dem 19. Jahrhundert beherrscht, sondern ist auch Teil des modernen Grundwortschatzes der jüdischen Erinnerung geworden, mit Formulierungen wie »das Zeitalter des Chettos«, »Ghetto-Mentalität«, »der Ghetto-Jude« oder »aus dem Ghetto«. nach allgemeinem Verständnis steht der Bergriff »Ghetto« für Engstirnigkeit und Eingrenzung, während Emanzipation die wünschenswerte Situation von äußerster Freiheit, Kreativität und Selbstbestimmung impliziert. Mythen halten sich zäh, und wir sind so konditioniert, dass wir diese Dichotomie beibehalten, obgleich sich einige Generationen von Historikern bemüht haben, sie abzumildern, um schließlich den Gegensatz von Isolation, d.h. Ghettoisierung gegenüber Offenheit, d.h. Emanzipation ganz in Frage zu stellen.